Lauren Huret
Praying for my haters

Die digitale Video-Collage Praying for my haters (2019) der in Genf lebenden französischen Künstlerin Lauren Huret beginnt mit dem Blick auf einen gesichtslosen Büroturm in Manila. Es ist der Sitz eines Subunternehmers, welcher für Social Media Giganten wie Facebook und Instagram Heerscharen sogenannter Content Moderatoren beschäftigt. Ihre Aufgabe ist es, das Netz von anstössigen, gewalttätigen Bildern zu säubern, indem sie im Sekundentakt Daten löschen. Dabei ist jeder einzelne der «Moderatoren» pro Tag Tausenden solcher psychisch verstörenden Bilder ausgesetzt, über die sie jedoch vertragliches Stillschweigen zu bewahren haben. Die Stimme der Künstlerin aus dem Off erzählt in einer hypnotischen Textcollage von dem namenlosen Martyrium der Moderatoren. Dabei beginnen einige der blinden Fenster für eine dahinter liegende Bildebene durchlässig zu werden. Bald flackern so in der oberen Hälfte des Wolkenkratzers Bruchstücke von Aufnahmen dicht gedrängter, wogender Menschenmassen durch das Gebäude. Der Anlass ist die Prozession zu Ehren des «Schwarzen Nazareners». Jedes Jahr am 9. Januar säumen Hunderttausende gläubiger Christen den Weg mit dem Ziel, eine kurze Berührung der Heilbringenden Christusstatue zu erhaschen, was immer wieder zu zahlreichen Verletzten führt. Darunter sieht man hinter einigen der Fenster Bruchstücke einer alljährlich am Karfreitag stattfindenden Reinszenierung der Kreuzigung Jesu im unweit von Manila gelegenen Dorf San Pedro Cutud. Gläubige Männer werden in der Nachahmung Christi zu Märtyrern und lassen sich mit echten Nägeln ans Kreuz schlagen. Seit der spanischen Kolonialisierung der Philippinischen Inseln im 17. Jahrhundert sind auch heute noch über 80% der Bevölkerung katholisch.
Huret schafft eine eindringliche Verbindung zwischen der stummen Selbstaufopferung all derer, die Tag für Tag für unser aller Wohl die krankmachenden Seiten des Internets in sich aufsaugen, um uns zu schützen. Und einem lange nicht erkannten, systemimmanenten Missstand, der unsere grosse Freiheit im Internet erst möglich macht. Es sind Menschen, die dafür auf dem Spiel stehen, kein Algorithmus.  
Lauren Huret ist in ihrem eigenen Umgang mit dem Internet von Beginn an kritisch, eine Netzverweigerin. Die Aufnahmen sind meist mit ihrer Handykamera entstanden und wurden von ihr mit gängigen Filtern bearbeitet. Sie schafft aus der Verbindung der Alltagsästhetik der Bilder und der elaborierten, digitalen Collage der beiden Bildebenen untereinander, sowie der Bezüge zwischen Bild und Ton, eine eigene digitale Bildsprache. Diese richtet sie immer wieder auf die Frage nach dem Preis, den unsere Gesellschaft für die Freiheit neuer Technologien zu zahlen bereit ist.
(Text: Bettina Back)

Künstler:in: Lauren Huret
Titel: Praying for my haters
Jahr: 2019
Format: Video
Material / Technologie: Video, H.264, PAL, 4K, mp4, colour, sound
Dauer: 17‘ loop
Dimension: variable
Ankauf: Acquired 2019, inv.no. S0078
Künstler:innen Link: , http://www.laurenhuret.com